Resilienz – von der Fähigkeit, wieder aufzustehen

Auf dem Bild sehen wir eine Blume, die zwischen den schmalen Kanten massiver Betonplatten blüht. Dieses Bild hat mich inspiriert, mich mehr mit dem Thema Resilienz auseinanderzusetzen. Nur mit Resilienz können wir ein gesundes und zufriedenes Leben führen. Yoga und Meditation sind eine der wirksamsten Übungen für eine stärkere Resilienzfähigkeit. Wie sich Stress auf unser Nervensystem auswirkt, hängt von der Resilienz, der Widerstandsfähigkeit jeder Person ab. Menschen sind keine Marionetten ihres Schicksals und reagieren sehr unterschiedlich auf ähnliche Situationen.

Was ist Resilienz?

Das Wort Resilienz leite sich aus dem Lateinischen resilire ab, was zurückspringen, abprallen heißt. Stress kann nicht nur Leid und psychische Beeinträchtigung auslösen, sondern die eigene Resilienz stärken, wenn ein persönlicher Reifungs- und Wachstumsprozess gefunden wird. Dies führt zu einer Veränderung der Selbstwahrnehmung, indem die eigene Gestaltungsmöglichkeit der Lebenssituationen erlernt wird. Hierfür braucht jeder von uns ein Einfühlungsvermögen gegenüber sich selbst und anderen, bei gleichzeitiger angemessener Abgrenzung.

Wie wirkt Resilienz?

Durch Resilienz wird eine veränderte Lebenseinstellung etabliert, die eine Ausrichtung auf neue Lebensziele, Prioritäten und auch eine stärkere Auseinandersetzung mit spirituellen Inhalten zulässt. Die betroffene Person würdigt die schwierigen und stressvollen Lebensumstände, indem sie diese zunächst anerkennt und annimmt. Ohne das Erlebte zu bagatellisieren, wird eine optimistische Haltung entwickelt, mit der die Zukunft geplant, Ziele gesetzt und eine Problemlösefähigkeit aufgebaut werden kann. Fähigkeiten, wie das Vertrauen in die eigenen Kompetenzen, mit Stress umgehen zu können, soziale Kontakte aufzubauen und Verbundenheit in spirituellen Erfahrungen zu finden, können eingeübt werden.

Die Herausforderungen einer Großstadt

Als ich vor zehn Jahren nach Berlin gezogen bin, haben mich die lebendigen und unruhigen Energien, die multidisziplinären Kunstformen und sehr unterschiedlichen Charaktere dieser Stadt inspiriert. Berlin ist im Vergleich zu anderen globalen Großstädten vergleichsweise weitläufig gebaut und bietet durch viele Parks grüne Inseln. Ich bin davon ausgegangen, dass ich mit der Zeit einen Umgang mit ihren roughen, grauen Seiten und den prekären Lebenssituationen der Menschen finde. Ich habe versucht, mich daran zu gewöhnen oder diese teilweise auszublenden. In dieser Stadt habe ich sowohl persönliches Glück als auch zutiefst leidvolle und erschütternde Erfahrungen erlebt. Über die letzten Jahre habe ich festgestellt, dass das Scheuklappenprinzip nicht funktioniert und Berlin vielmehr mit seinen unzähligen Personas zu einem Spiegel meiner individuellen Lebensphasen wurde.

Die Herausforderung verschiedener sozialer Rollen

Als Kulturmanagerin im Tanz, Theater und Kultur liegt mir der Terminus Persona in diesem Kontext sehr nahe. Als Persona wird in der Psychologie die nach außen hin gezeigte Einstellung eines Menschen bezeichnet, die seiner sozialen Anpassung dient und manchmal auch mit seinem Selbstbild identisch ist. Der lateinische persona ist referiert bereits in der Antike auf die Bedeutungen Schauspielermaske, ‚Rolle‘ (im Schauspiel oder Leben) und allgemein Person/ Persönlichkeit auffächerte. Jeder von uns hat die Herausforderungen in Beziehungen, im Arbeits- und Lebensumfeld und auf den Reisen, die wir unternehmen, die unterschiedlichen Rollen zu erfüllen. Wir sind ständig dazu aufgefordert Entscheidungen zu treffen, Risiken abzuwägen, Konsequenzen zu antizipieren und Probleme zu lösen. Früher oder später kommt jeder von uns hier an ernst zu nehmende Grenzen, an denen wir uns überfordert fühlen, keinen Ausweg sehen und uns außer Kontrolle fühlen. Nicht zuletzt die Pandemie ist eine solche kollektive Herausforderung, die für viele unserer Mitmenschen finanzielle Unsicherheit, Isolation oder familiäre Umstrukturierung bedeutet.

Yoga und Meditation in Krisenzeiten

Während der Pandemie habe ich meine Yogakurse auf ein Online-Format verlegt. Diese Möglichkeit meine Schüler in Bewegung, Meditation und Gemeinschaft zu bringen hat sowohl mich als Lehrerin, als auch die gesamte Gruppe enorm unterstützt. Essenziell wurde für mich primär die solitäre Meditationspraxis in meinem Wohnzimmer. Sie ist der grundlegende Schlüssel zu meiner Resilienzfähigkeit geworden. Zunächst saß ich nur zehn Minuten, dann zwanzig Minuten. Mittlerweile sind fünfundvierzig Minuten meine ideale Meditationszeit. Ich habe angefangen ein variables Ritual zu gestalten, dass Klangschalen, Räucherwerk, ein spezielles Lichtsetting und Mantrasingen involviert. Es ist vollkommen natürlich, dass sich zunächst Widerstand meldet, Affekte stark werden und Unruhe aufsteigt. Ich möchte dazu ermutigen diese Wellen verständnisvoll aufzunehmen und zu integrieren. So wird jeder eines Tages zu dem Moment gelangen, durch Meditation eine Quelle zu finden, in der Lösungen und kreative Ideen wie von selbst hervorsprudeln.

Wie eine Lampe an einem windstillen Ort

Auf dem Weg, dieses in meinem Leben zu integrieren, habe ich B.K.S. Iyengar entdeckt, der in seinem Buch Licht auf Yoga Arjuna aus der hinduistischen Schrift der Bhagavad-Gita (2. – 5. Jh. V. Chr.) zitiert:  »Wenn der von allen Begierden erlöste, gebändigte Geist einzig im Selbst fest gegründet ist, wird er (durch Yoga) ausgeglichen genannt. Eine Lampe an einem windstillen Ort flackert nicht. Mit ihr wird die Yogini oder der Yogi verglichen, die/ der sein Denken bezähmt hält und die Vereinigung mit dem höchsten Selbst (…) übt.«  Iyengar nennt eine Yogini oder einen Yogi diejenige Person, die dem Pfad des Yoga folgt, der aus Leiden und Sorgen befreit. In den meditativen Versenkungsübungen wird das Denken zurückgedrängt. Wenn das Denken ruht, dann schaut die Yogini oder der Yogi das Selbst mit dem Selbst und erfreut sich an ihm. Yoga ist die Loslösung aus der Verbundenheit mit dem Leiden. Die Yogini oder der Yogi gründet sich in diesem spirituellen Ort, wo er von Leid nicht mehr erschüttert werden kann. Den wankelmütigen Geist in eine Richtung zu lenken, dass er zum Behälter von Frieden und Fülle wird, schenkt eine Resilienz, die durch Yoga und Meditation geübt wird.

Auf dem Bild sehen wir eine Blume, sie gewinnt ihre Gestalt, leuchtend, blühend aus ihrer genuinen Veranlagung heraus. Sie versucht sich nicht zu adaptieren und ihre Materie in die des Betons umzuwandeln. Sie bleibt ihrer Individualität treu und wächst frei und ohne Angst. Ich werde dieses Bild in meiner nächsten Meditation vor Augen halten und mit einem offenen inneren Auge darauf achten, was es mir über mich selbst erzählt.